Es ist ziemlich genau vier Jahre her seit meinem Sabbatical, den ich mehrheitlich in Kalifornien und auf Bali verbracht habe; auf der Suche nach mir und zu mir selbst. Aber es ist erst auf O'ahu, die Insel wir auch "The Gathering Place" (was auf Deutsch so viel wie "Ort des Zusammenkommens" heisst) in Hawaii, passiert, dass ich mich von meinen selbstauferlegten Fesseln um mein Herz befreien und meinen Tränen freien Lauf lassen konnte. Und wow, sind diese Tränen geflossen. Denn als ich auf dem weissen Sand, mit den ungestümen und zugleich unglaublich sanften Wellen des Pazifiks vor mir, sass, fühlte es sich an, als ob Mutter Natur (ich stelle sie mir hier gerne als Te Fiti vor, die grüne Göttin aus "Moana") mein Herz berührte und es mit meiner Vergangenheit, Gegenwart sowie Zukunft verband. Was mich bis in mein Innerstes berührt und all die Gefühle, die ich seit meiner Kindheit so tief in mir verborgen gehalten hatte, an die Oberfläche gebracht hat.
Die Tränen flossen weiter und ich konnte nicht mehr zu Weinen aufhören. Es schien, als ob sich meine Tränen in einen Fluss verwandelt würden. Cry me a river; wortwörtlich. So schmerzhaft das nun klingen mag, war es aber nicht. Im Gegenteil: Das war genau das was ich gebraucht hatte und ein Momentum auf das ich quasi mein Leben lang gewartet habe. Plötzlich fühlte ich mich so frei und irgendwie auch leichter. Natürlich wollte ich diesen Moment mit anderen teilen. Und habe darum beschlossen, ein Video von mir und meine Tränen auf meine Instagram Stories zu sharen. Einige Feedbacks darauf waren total schön und ermutigend. Andere not so much.
Das Unbehagen, das man empfindet, wenn jemand weint
Genauer: Etwa zwei Jahre danach führte ich ein Gespräch mit einer Bekannten, die zugab, wie sehr sie genau dieses Video genervt und sie mich darum – anscheinend auch andere aus unserem Bekanntenkreis – mich und meine Stories auf IG gemutet hatten. Ich würde an dieser stelle lügen, wenn ich jetzt schreiben würde, dass mich diese Bemerkung nicht verletzt oder mich kurz hat inne halten lassen. War ich tatsächlich too much? Hatte ich zu viel von mir und meiner persönlichen Reise mit anderen und der Öffentlichkeit geteilt? Ich finde: Nein. Und nochmals nein!
An alle, die diese Zeilen nun lesen und denen Ähnliches widerfahren ist: Ihr seid NEVER TOO MUCH! Es ist nämlich so wichtig, so dass wir unser wahres Ich mit anderen teilen, auch wenn das manchmal unangenehm sein kann oder man sogar dafür belächelt werden kann. Ich bin nämlich nach wie vor der Überzeugung: Nur indem wir unser authentisches Selbst nach Aussen tragen und uns in unserer absoluten und wunderbaren Wahrheit zeigen, können wir anderen helfen, eine andere Perspektive zu gewinnen.
Dazu gehören auch Tränen und Weinen, weil das eine Befreiung ist. Trösten oder Aussagen wie "Sei nicht traurig" oder "Es macht mich traurig, dich weinen zu sehen" oder "Ich kann nicht zusehen, wie du so bist", kann diesen Prozess unterbinden. Und was passiert, wenn wir versuchen, Gefühle zu unterdrücken? Sie implodieren oder explodieren. Manche bekommen davon Wutausbrüche, andere eine ausgewachsene Depression. Meiner Meinung nach ist es darum das Beste, euer Gegenüber weinen zu lassen und das auszuhalten, also den Space für euer Gegenüber zu halten. Nur so können sie sich von ihren Schmerzen befreien, loslassen und heilen.
Seid sanft
Wichtig ist also weniger, was ihr tut, während euer Gegenüber weint, sondern was danach geschieht. Seid für euer Gegenüber präsent, falls gewünscht, umarmt euch, erzählt einen Witz, geht spazieren, shoppen oder, noch schöner, ihr schmeisst eine grosse Healing-Party nach dem Tal der Tränen.
Ihr seht, es geht weniger darum, das Problem (Weinen) zu lösen, als darum, dieses und euer Gegenüber ganz und gar anzunehmen. Und zwar in jedem Moment.
Deshalb möchte ich diesen Artikel mit einem schönen Zitat von Marilyn Monroe beenden:
„Ich bin egoistisch, ungeduldig und ein wenig unsicher. Ich mache Fehler, bin ausser Kontrolle und manchmal schwer zu bewältigen. Aber wenn du mit mir im schlimmsten Fall nicht klarkommst, dann verdienst du mich mit Sicherheit auch im besten Fall nicht. ”
Alles Liebe und mit ganz viel Sternenstaub, Irène